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Content Marketing Beispiel: Der eigene Abschied als Event

„Ableben ist eine der letzten großen Domänen der Fremdbestimmung. Ärzte, Gene, Kirchen, Tyrannen und alle möglichen von außen wirkenden Kräfte bestimmen unser Sterben.“, sagt der Verfasser des  satirischen Romans „Heaven`s Gate“ Tommy Schmid über Sterbehilfe in einem Interview mit Margerita Nardozza. Einige Gedanken zu diesem interessanten Content Marketing Case von Dr. Heimo Strauss:

Ungewöhnliche Markteinführung durch Content Marketing

Es ist eine ungewöhnliche Markteinführung eines Romans zur geistigen Auseinandersetzung mit der Sterbehilfe. Ziel der Kampagne ist die Sensibilisierung zur geistigen, verbalen, auch kontroversen persönlichen, aber besonders öffentlichen Auseinandersetzung mit der in Deutschland verbotenen und auch deshalb in Medien weitestgehend tabuisierten aktiven Sterbehilfe. Der Video-Clip erzählt obwohl im Zeitraffer, klar und unmissverständlich die Geschichte des Romans.

Die „Story“

Ein unheilbar Kranker plant seinen Tod. Er will Abschied nehmen mit einem Fest. Diesen Plan entwickelt er zu „seiner“ Geschäftsidee. „Sterben – der ultimative Event!“. Sein Plan sieht den Bau eines Zentrums der Sterbehilfe in Deutschland vor. Im Ablauf des Clips werden real Bautafeln aufgestellt, Ankündigungen im Immobilienteil von Printmedien geschaltet und ein Internetauftritt kreiert. Die Resonanz auf den Video-Clip: Das sensible Thema „Selbstbestimmung und Sterbehilfe“ wird von großen deutschen Tageszeitungen aufgegriffen, im TV und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Natürlich mit reger Online-Beteiligung.

Im Laufe dieses kommunikativen Prozesses der Content Marketing Kampagne für den Roman lüftet Tommy Schmid, der Verfasser des Romans, mit öffentlichen Auftritten den tatsächlichen Hintergrund der Kampagne.

Es gibt, Gott sei Dank, in unserer Gesellschaft auch Kritiker, die die Content Marketing Kampagne positiv sehen, der Roman erhielt eine 5-Sterne-Bewertung und ist der erfolgreichste Roman des Verlages. Aber nicht nur der Verlag schreibt damit eine Erfolgsgeschichte, sondern auch die Online-Interaktionen mit mehr als 1,7 Mio. Kontakten. Wichtiger Nebeneffekt: Tausende werden angeregt über dieses Thema zu reden.

Wie lange hält dieser Effekt an?

Als Oldie-Marketing-Profi und Betrachter des Clips, ziehe ich vor der dramaturgischen, inhaltlichen und bildtechnischen Aufbereitung dieses sensiblen Themas, dem  n der Öffentlichkeit ein konsequent agierendes Diskussionsforum fehlt, ganz tief den Hut.

In Abkehr vom traditionellen Marketing rückt das Produkt „Buch“ in den Hintergrund und das jeden Menschen erfassende Bedürfnis „Selbstbestimmung über meinen Tod“ in den Blickpunkt. Dabei wird sehr wohl akzeptiert oder möglicherweise auch provoziert, dass die Domänen der Sterbefremdbestimmung Ärzte, Pflegeorganisationen, Pharmazie, religiöse Organisationen u.v.a.m., aber auch große Teile der politischen Parteien massiven Widerstand mit den unterschiedlichsten Argumenten leisten werden. Sollte das gewollt sein, ist es gut und richtig und macht das Thema auch zukünftig mehr als diskussionsattraktiv. Das ist auch notwendig, denn nur durch Konfrontation mit diesem sensiblen Thema kann ein Fortschritt erreicht werden. Auch hier gilt: „Steter Tropfen höhlt den Stein!“

Die klassischen Kommunikationsschritte werden im Online-Adäquaten Video-Format konsequent umgesetzt. „Heaven`s Gate“ als Attention, „Sterben als Event“ u. a.m. als Interest, „mehr zu diesem Video-Inhalt erfahren wollen“ als Desire. Und letztendlich „die geweckte Neugier und das Interesse durch Mehrwissen/-erfahren“ befriedigen durch Action.

Was mir fehlt, ist die Kommunikation mit der aktuell zu diesem Thema relevanten Zielgruppe „60 Plus“. Die geringere Einbindung vieler Menschen 60 Plus in die IT-Entwicklung/Nutzung im letzten Jahrzehnt, lässt die Beantwortung der Frage offen, wie weit dieses Thema über die Print- und/oder TV-Medien objektiv für diese Zielgruppe kommuniziert wurde/wird. Obwohl ich sehr wohl täglich klassische Printmedien lese und zumindest das Angebot an TV-Talkshows prüfe, kann ich mich nicht erinnern, im letzten Jahr zu diesem Thema etwas gelesen oder gehört zu haben. Das heißt, ich setze zur hinreichenden Information 60Plus ein Fragezeichen.

Wie denkst Du darüber?

Schreibe es hier ins Kommentarfeld! Ich freue mich darauf.

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